Ist Müllverbrennung in Altenstadt noch zu verhindern?

Seit knapp einen Jahr ist bekannt, das im Heizkraftwerk Altenstadt zukünftig auch Müll verbrannt werden soll. Mittlerweile ist die Baugenehmigung erteilt, die Betriebsgenehmigung in Aussicht gestellt. Eine Zusammenfassung des Sachstandes.

07.05.21 –

Rückblick

Das Heizkraftwerk Altenstadt westlich von Schongau ist seit 1999 in Betrieb. Die Anlage wurde als Pilotprojekt auf dem Gebiet der thermischen Verwertung von Biomasse massiv mit Steuergeldern gefördert. (50 % = ca. 25 Millionen DM) Ziel war, Abfälle aus der Forst- und Landwirtschaft zu sinnvoll zu verwerten.
Da die ursprüngliche Konzeption der Anlage teilweise (beispielsweise die Verbrennung Heu) nicht wie gewünscht funktionierte, wurde bereits im Jahr 2000 die Verbrennung von Altholz, ab 2004 die Verbrennung auch von belastetem Holz genehmigt. Die war bereits ein erster Einstieg in die Müllverbrennung, denn im Gegensatz zur Verwertung von Holz aus der Forstwirtschaft, das kostenlos angenommen wurde, muss für die Anlieferung von belastetem Altholz Geld bezahlt werden (lt. Preisliste 2021 für Kleinanlieferer 100 €/Tonne).

Mit dem Auslaufen der Subventionen für Anlage Ende 2020 ist wohl auch dieses Geschäftsmodell nicht mehr lukrativ, daher wurde 2020 beantragt, in der Anlage zusätzlich „Ersatzbrennstoffe“ zu verfeuern.

Während die bisherigen Änderungen weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit vonstatten gingen, regte sich hiergegen Widerstand sowohl in den Stadt- und Gemeinderäten der betroffenen Gemeinden als auch in der Bevölkerung. Dabei geriet auch das Konzept der mittlerweile über 20 Jahre alten Anlage in den Fokus.

Die zentralen Kritikpunkte

  1. Das Genehmigungsverfahren selbst wird als Änderungsgenehmigung ohne Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt. Damit können beispielsweise Umweltverbände die Unterlagen nicht einsehen, eine kritische Prüfung ist nicht möglich.
  2. Mit dem Einsatz von Ersatzbrennstoffen (im wesentlichen heizwertreiche, kunststoffhaltige Abfälle) entstehen ganz andere Schadstoffe bei der Verbrennung als bisher, von denen auch bei bester Filtertechnik immer Reste in die Umwelt gelangen. Nachteile für die Gesundheit – direkt durch die Luft oder indirekt über Nahrungsaufnahme von Schadstoffen, die in den Boden gelangen – sind zu befürchten.
  3. Die Herkunft des neuen Brennstoffs – wie bereits jetzt des Altholzes – ist nicht vorgegeben. Es ist davon auszugehen, dass zusätzlich erhebliche CO2-Belastungen durch den Transport entstehen, die im Genehmigungsverfahren keine Rolle spielen. Der Betreiber spricht von einem Umkreis von 40 bis 50 km, er gibt jedoch keine Lieferanten an und meine Recherchen ergaben, dass beispielsweise alle Sortieranlagen für „Gelbe Säcke“, die als EBS-Quelle in der Presse genannt wurden, mindestens 120 km entfernt sind*.
  4. Schongau und Umgebung ertragen jetzt schon Gift und Gestank. Futtertrocknung, Papierfabrik, die Entsorgung von abgelaufenen Lebensmitteln und Klärschlamm bei Emter und die Verbrennung von Altholz in dieser Anlage beeinträchtigen schon heute die Lebensqualität der Anwohner. Die eingesetzten Brennstoffe können auch nicht aus unserer Region kommen, ein „moralischer“ Ansatz, dass wir für unseren Müll verantwortlich wären, greift nicht.**
  5. Lediglich 25 % der eingesetzten Energie kommt als Strom ins Netz, der Rest wird fast ausschließlich als Abwärme in die Luft und in den Lech abgeben. Eine solche Anlage widerspricht allen Klimaschutzzielen.

Protestaktionen

Fast alle Veranstaltungen fanden unter Corona-Auflagen statt, die Teilnehmerzahlen wären sonst sicherlich höher ausgefallen.

  1. 4.8.2021: Gründung einer Aktionsgemeinschaft gegen die geplante Müllverbrennung

  2. 22.8.2021: Demo anlässlich der Enthüllung eines Banners in Schongau-West, ca. 200 Teilnehmer

  3. 15.9.2021: Pressegespräch mit den Schongauer Nachrichten

  4. 19.9.2021: Protestzug zum Heizkraftwerk, ca. 350 Teilnehmer

  5. 15.10.2021: Anläßlich einer Info-Veranstaltung des Betreibers an eine kleine Gruppe von Kommunalpolitikern Demo am Marienplatz mit ca. 100 Teilnehmern. Bei der Veranstaltung dürfen auch sich auch die Gegner zu Wort melden. Die Argumente finden wie erwartet kein Gehör, auf der Veranstaltung präsentierte Berechnungen zu Schadstoff-Emissionen werden nicht herausgegeben

  6. 6.12.2021: Online-Petition an die Regierung von Oberbayern, initiiert von Bettina Buresch (Stadträtin und Umweltreferentin in Schongau), 2897 Unterschriften, wegen Corana-Einschränkungen nur online übergeben

  7. 6.2.2021: Banner-Aufhängung in Schongau-West, ca. 20 Vertreter der Aktionsgemeinschaft

Der aktuelle Sachstand

Die Regierung von Oberbayern hat – wie nicht anders zu erwarten – die bauliche Erweiterung der Anlage genehmigt sowie die Genehmigung des Betriebs der Anlage in Aussicht gestellt. Die Stadt Schongau hat gegen den Genehmigungsbescheid Klage eingereicht, ob diese allerdings Aussicht auf Erfolg hat, ist derzeit schwer einzuschätzen.

Die Chancen, dass die Regierung von Oberbayern die Anlage nicht genehmigt, waren von vornherein nicht groß, da nach der aktuellen Gesetzeslage kein Handlungsspielraum für die Genehmigungsbehörde besteht. Werden die gesetzlichen Vorgaben eingehalten, muss sie die Anlage genehmigen. Die Belastung der Bevölkerung durch andere Anlagen in der Umgebung spielt dabei genauso wenig eine Rolle wie andere örtliche Gegebenheiten, und der Gesetzgeber hat bisher auch keine Untergrenzen für den Wirkungsgrad (der bei dieser Anlage bei unter 30 % liegt) festgesetzt (https://www.gesetze-im-internet.de/bimschg/__5.html).

Grund für die Änderung der Anlage, in der statt Altholz zukünftig bis zu 50 % „Ersatzbrennstoffe (EBS)“ verbrannt werden sollen, war das ursprüngliche Auslaufen der Subventionen für diese Anlage Ende 2020. Da diese Subventionen aus dem EEG-Gesetz um zwei Jahre verlängert wurden und anschließend nur schrittweise sinken, wird vorläufig kein EBS eingesetzt, da dadurch die lukrativen Subventionen entfallen würden.

Bei diesen EBS dürfte es sich beispielsweise um Sortierreste aus dem „Gelben Sack“ handeln, für die Entsorgung dieser Reste wird derzeit sehr viel Geld bezahlt – nach meinen Recherchen um 100 Euro pro Tonne für Abtransport und Verbrennung.***

Der Presse war zu entnehmen, dass die technischen Anlagen in diesem Jahr gebaut werden sollen, für 2022 ist ein Probebetrieb geplant. Ob und wann tatsächlich EBS eingesetzt wird, lässt der Betreiber offen, nennt die erteilte Genehmigung aber die „Lebensversicherung“ für den Betrieb. Eine einmal erteilte Genehmigung kann theoretisch zwar durch neue Gesetze hinfällig werden, in diesem Fall stünde dem Betreiber aber Schadenersatz zu – ähnlich den Energiekonzernen für ihre Atomkraftwerke, die sie früher abschalten müssen als geplant.

Was müsste passieren?

Das Konzept der Anlage in Altenstadt, ursprünglich als Pilotprojekt gestartet, ist heute völlig veraltet. Die seit 20 Jahren versprochene Kraft-Wärme-Kopplung wird nicht kommen, solange der Betreiber dazu nicht gezwungen wird und darauf wartet, dass ihm die Abnehmer endlich von selber in die Arme laufen. Eigene Ideen wie die geplante Garnelenzucht funktionieren nur mit weiteren Subventionen – wohl von Anfang an ein wichtiger Baustein aller Geschäftsmodelle dieses Betreibers. Ganz egal, ob Altholz, EBS oder ein anderer Energieträger, wer heute noch 75 % der Energie nutzlos als Wärme in die Umwelt abgibt, sollte seine Anlage zusperren. Da dies aber niemals freiwillig passiert, müssen sich die Rahmenbedingungen so ändern, dass sich das Geschäftsmodell einfach nicht mehr rechnet. Denn wenn kein Geld mehr mit der Anlage zu verdienen ist, ist auch die Betriebsgenehmigung nichts mehr wert.

Ein wesentlicher Hebel ist hier das Kreislaufwirtschaftsgesetz, dass die Wiederverwertung von Abfällen regelt. Wenn hier die thermische Verwertung (klingt besser als Verbrennung) nicht mehr als Recycling gewertet wird und somit der Druck auf die Wirtschaft wächst, Abfälle wirklich wiederzuverwerten, ist das Geschäftsmodell „EBS“ wesentlich weniger lukrativ.

Ein weiterer Ansatz könnte sein, CO2-Emissionen von ungenutzter Energie, hier also den 75 %, die in die Luft abgeben werden, deutlich höher zu bepreisen als die von sinnvoll eingesetzter Energie. Das wäre ein Ansatz, Kraft-Wärme-Kopplung für solche Anlagen zu erzwingen, wenn sie wirtschaftlich betrieben werden sollen.

Auch eine Präzisierung der Formulierung „Energie sparsam und effizient verwendet wird“ im Bundes-Immissionsschutz-Gesetz (siehe Link weiter oben) ist dringend erforderlich, hier müssen klare Grenzwerte vorgegeben werden.

* Die Gelben Säcke aus unserem Landkreis werden von der Firma Heinz in Penzberg abgeholt. Die Sortieranlage steht am Münchner Flughafen: GEO Gesellschaft für Entsorgung in Oberbayern mbH, Erdinger Allee 1, 85356 München(-Flughafen), Entfernung von Schongau ca. 120 km. Eine weitere Sortieranlage (z.B. für Gelbe Säcke aus Landkreis Starnberg): Wurzer Wertstoff GmbH, Eitting, Entfernung von Schongau ca. 135 km.

** Der gesamte Restmüll aus den Landkreisen WM-SOG und Bad Tölz wird durch die EVA sortiert und die gewonnenen Ersatzbrennstoffe zum Großteil von UPM (70–80 %) und der Rest in Augsburg verbrannt. Laut Medienberichten sollen in der Anlage die energetisch verwertbaren Abfälle aus dem Gelben Sack landen. Verpackungsabfall je Einwohner/Jahr ca. 220 kg, davon werden 35 % energetisch verwertet, bei ca. 135.000 Einwohnern im Landkreis: 220 x 0,35 x 135.000 / 1000 = 10.400 t. Anlagenkapazität gesamt 100.000 t, davon sollen 50 % solche Abfälle sein >>> also wird in Altenstadt 5x so viel verbrannt, wie im ganzen Landkreis anfällt.

*** Rechenbeispiel mit Zahlen aus dem Jahr 2018 von der Sortieranlage der Firma Böhme GmbH in Rehau bei Hof: 60.000 t werden sortiert, davon ca. 45 % in die Verbrennung = 27.000 t, Kosten für Transport und Verbrennung 2,6 Mio Euro, also rund 100 Euro/Tonne! (Quelle: https://www.mainpost.de/ueberregional/wirtschaft/mainpostwirtschaft/was-mit-unserem-gelben-sack-passiert-art-9944094).

Zusammengefasst von Markus Keller, OV Schongau

 

 

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